Fährt man im La Vallée de Joux dem Seeufer entlang, stechen einem die grossen Uhrenmarken ins Auge: So etwa Jaeger-LeCoultre in Le Sentier und Audemars Piguet in Le Brassus. Hier hat dieses Unternehmen, das sich immer noch in Familienbesitz befindet, eben erst ein Hotel der gehobenen Klasse eröffnet: Das Hôtel des Horlogers. In Sichtweite stechen mehrere Baukräne in den Himmel: da entsteht der neue Campus der Prestigemarke. In diesem Bau sollen künftig alle Produktionszweige vereint werden. «Möchte Audemars Piguet den Lac de Joux verschieben, dann wäre auch das möglich!», sagt eine Anwohnerin augenzwinkernd, und fügt bei, dass man diesen Spruch immer mal wieder höre im Tal. Er steht für den Pioniergeist und die Durchsetzungskraft des Unternehmens.

Bauern und Uhrmacher

Über jene Durchsetzungskraft und einen eisernen Willen zur steten Verbesserung mussten zweifellos auch jene Bauern verfügen, die am Anfang der Uhrmachertradition stehen. In den langen und kalten Wintern anfangs des 19. Jahrhunderts fingen sie an, Teile für Musikdosen und einfache Komponenten für Uhrwerke herzustellen. Sie richteten dafür im obersten Stock ihrer Häuser Ateliers mit Fenstern ein, so dass sie gutes Licht zum Arbeiten hatten. Im Frühjahr fuhren sie jeweils nach Genf, um dort ihre Produkte zu verkaufen. Einige Bauern entwickelten immer bessere Techniken, um ihre Produkte feiner und leichter zu machen. Um diese herzustellen, stellten sie auch gleich selber die nötigen Werkzeuge her. Sie hatten ein hartes Leben, das sie womöglich antrieb, immer besser zu werden.

Espace Horloger
Im Espace Horloger. © Corinne Aeberhard

Komplexe Uhrwerke

Eine Entwicklung, die immer weiter geht. In vielen Uhren von Audemars Piguet oder Jaeger-LeCoultre stecken enorm komplexe Uhrwerke. Zu sehen sind solche Kreationen für Besucherinnen und Besucher im Espace Horloger in Le Sentier. Das Museum gibt einen Einblick in die Anfänge der Zeitmessung, die ihren Ursprung in Mesopotamien hat. Verschiedene Messgeräte sind ausgestellt, aber auch Uhren der im Vallée de Joux ansässigen Manufakturen. Über eigene Ausstellungsräume verfügen die beiden Marken Jaeger-Le Coultre in Le Sentier sowie Audemars Piguet in Le Brassus. Diese Museen können allerdings nur auf Voranmeldung besichtigt werden.

Bäume an der Decke

Das Musée Atelier von Audemars Piguet wurde vom dänischen Architekten Bjarke Ingels realisiert. Der kreisrunde Glasbau lehnt sich an ein historisches Gebäude der Firma und integriert sich gut in die Topographie: Von der Strasse her ist er unsichtbar. «Das Konzept des Dänen hat die Besitzer überzeugt», sagt André Cheminade, Direktor des Hôtels des Horlogers. Aus diesem Grund wurde Ingels auch gleich mit dem Bau des Hotels beauftragt. Auch dieses Gebäude passt bestens in die Umgebung. Einen pompösen Eingang sucht man vergebens. Bäume und einheimische Pflanzen schirmen das Gebäude zur Strasse hin ab. Im hohen Eingangsbereich hängen trockene Bäume kopfüber an der Decke.

Jedes der 50 Zimmer hat einen unverbauten Blick auf das grüne Tal hinter dem Bau und auf den Wald. Das Gebäude schmiegt sich z-förmig an den Hang. Ein kleiner Fussweg säumt den Garten und erlaubt einen Rundgang an der frischen Luft. So sind es denn nicht nur die Uhren oder die Landschaft, welche Hotelgäste anziehen, sondern auch die Architektur des Gebäudes, wie André Cheminade weiss.

Von grossen Komplikationen

Auf einer Führung durch das Musée Atelier, das sich unweit des Hôtels des Horlogers befindet, fällt immer wieder der Ausdruck «Komplikationen ». Eine Journalistin in der Gruppe glaubt zuerst an einen Übersetzungsfehler und fragt dann mal nach. Gelächter und Staunen: Komplikationen haben zwar mit komplizierten Uhrwerken zu tun, aber es ist vor allem ein Fachausdruck in der Uhrenbranche. Damit sind Zusatzfunktionen gemeint, die eine mechanische Uhr in ihrem Werk hat. So zeigt eine Uhr mit Komplikationen nicht nur Stunden, Minuten und Sekunden an, sondern verfügt beispielsweise über einen Chronometer, einen ewigen Kalender und ein Schlagwerk. Sind die drei Zusatzfunktionen Minutenrepetition, ewiger Kalender und Schleppzeiger-Chronograph in einer Uhr eingebaut, so spricht man von einer «Grande complication».

Dieser Ausdruck fällt auch öfter bei der Führung durch das Archiv von Jaeger-LeCoultre in Le Sentier. Unter dem Dach sind alle Informationen über die Uhren fein säuberlich abgelegt. Das Archiv dient den Uhrmacherinnen und Uhrmachern regelmässig als Backup, wenn sie beispielsweise eine alte Uhr zur Reparatur erhalten. Defekte Teile werden wieder hergestellt, so dass die Uhr viele weitere Jahre ticken kann. Ein Blick in die Manufaktur erlaubt den Besucherinnen und Besuchern sich vorzustellen, wie viel Geduld verlangt wird, bis eine Uhr fertiggestellt ist. Hinter Glasscheiben sitzen Frauen und Männer an einem sogenannten Etabli (Uhrmacher-Pult) und beugen sich konzentriert über ein Wunderwerk der Technik. Das «Savoir-faire», wie es im Tal genannt wird, ist vor allem präzise Arbeit. Ruhige Hände sind gefragt und es wird klar, warum es so lange dauert, bis eine neue Uhr die Manufaktur verlassen kann.

Im Musée Atelier.
Im Musée Atelier. © Corinne Aeberhard

Ohne Uhr

Einen Besuch im Vallée de Joux wird man deshalb eher nicht mit einer neuen Uhr am Handgelenk beenden können. Die Fertigungszeiten einer Uhr können gut und gerne ein ganzes Jahr betragen. Dafür können Gäste regionale Produkte geniessen wie etwa Fisch aus dem See oder eine feine Kräuterteemischungen aus Vaulion und je nach Saison den bekannten Vacherin Mont-d’Or AOP mit nach Hause nehmen.

www.myvaud.ch
www.espacehorloger.ch
www.museeatelier-audemarspiguet.com
www.jaeger-lecoultre.com
www.hoteldeshorlogers.com

Text & Bilder: Corinne Aeberhard