Über 700 Trachten gibt es in der Schweiz. Jeder Kanton hat seine eigenen, regional unterschiedlichen Trachten, und fast überall trägt man sonntags andere als werktags. Eine Tracht widerspiegelte einst die regionale Herkunft und den Familienstand der Trägerin und des Trägers. Anhand der Tracht erkannte man Herkunft und Region der Menschen Ursprünglich waren Trachten Arbeitskleider, ausgerichtet auf die Bedürfnisse der Trägerin und des Trägers. Häufig nähten die Frauen und Männer ihre Trachten selber, verwendet wurden dabei Stoffe aus Leinen, Hanf oder Wolle, die sie selber produzieren konnten.

Ein häufiges Bildmotiv

Noch heute tragen viele Schweizerinnen und Schweizer ihre Tracht, die sie entweder vererbt bekommen oder neu gekauft haben. Einen weitreichenden Überblick über Trachten bietet das Buch «Die Pracht der Tracht», Schweizer Trachten in Kunst und Kunstgewerbe, von Scheidegger & Spiess . Gezeigt werden in diesem Buch Trachten von der Romantik bis zur Gegenwart. Die begleitenden Texte erörtern die vielfältigen gesellschaftlichen Hintergründe und Aspekte des Trachtenwesens. So war etwa die Schweizer Tracht ein häufiges Bildmotiv in der Schweizer Kunst und im Kunstgewerbe. Die Darstellungen häuften sich besonders im späten 18. Jahrhundert und im Jugendstil. Aber auch in den 1930er-Jahren, als das Lebensgefühl in der Schweiz mit dem Begriff «Landi-Geist» umschreiben war, rückte die Tracht häufiger ins Bild.

Eleganz pur: Die Waadtländer Tracht. © Daniel Rihs

Einfluss der Modeströmungen

Im Laufe der Zeit haben sich die Trachten verändert, sei es, weil sie der Mode der Nachbarländer angepasst wurden, oder weil gewisser Stoffe oder Schmuck von früher nicht mehr erhältlich war. Die Glarner Tracht etwa wurde geprägt durch Einflüsse der Lombardei. Die Glarnerinnen waren begeistert von den schönen Mailänderstoffen. Das «Burgunderhemd», ein weites blaues Leinenhemd, eroberte rasch das ganze Mittelland. Auch die Innerschweizer Männer fanden Gefallen an diesem blauen Stück, war es doch weniger schmutzanfällig als ihr weisses Hirtenhemd. Ursprünglich waren die blauen weiten Hemden Teil der Arbeitskleidung französischer Kutscher und Handelsleute, die in die Schweiz ihre Geschäfte tätigten.

Paris als Inspiration

Die Walliserinnen und Walliser liessen sich vermutlich von Paris inspirieren. Denn sie setzten auf aufwendig gearbeitete Hüte mit Bandgarnitur, die auf das 18. Jahrhundert zurückgehen und zu dieser Zeit in Paris Mode waren.

Damals benötigten spezialisierte Modistinnen zweieinhalb Tage, um den kunstvollen Kopfschmuck anzufertigen. Ihr Lohn betrug zwei Franken. Die Bauern pflegten dann jeweils zu sagen, dass die Anfertigung dieses «modischen Schnickschnacks» so viel koste wie eine Kuh. Selbst in den entlegensten Tälern habe die Koketterie der Frauen und der Wunsch, es den Damen der besseren Klasse gleichzutun, zur Entstehung einer Vielzahl von Trachten beigetragen, schrieb Jean-Blaise Besançon in einem Artikel, der 2014 in der «L’Illustré» erschien. Letztlich waren die Trachtenträgerinnen und -träger dann von der enormen Modevielfalt überfordert. Das traditionelle Kulturgut wurde in der Folge mehr und mehr für kommerzielle oder Werbe-Zwecke genutzt. So trugen beispielsweise Kellnerinnen billige Trachtenkopien. Das wiederum hat viele echte Bäuerinnen verärgert, sie trugen ihre nicht mehr, weil sie sich ihrer Tradition beraubt fühlten.

Die Berner Sonntagstracht. © Daniel Rihs

Zürich wird zum Mekka

Im nächsten Jahr stehen die Schweizer Trachten in Zürich im Fokus. Bereits zum dritten Mal findet dort das Eidgenössische Trachtenfest statt. Organisatorin dieses kulturellen Grossanlasses, der vom 28. bis 30. Juni 2024 stattfindet, ist die Schweizerische Trachtenvereinigung. Nebst einer bunten Schar von Trachtenleuten nehmen auch verschiedene Gruppierungen teil. Etwa Sänger und Sängerinnen, Tänzer, Blasmusik- und Jodelformationen, Volksmusikgruppen aus allen Landesteilen, Alphornspielerinnen und Fahnenschwinger. Darbietungen gibt es auf allen bekannten Plätzen im Zentrum der Stadt und die Bahnhofshalle wird zur Festhütte.