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Der Gourmetführer Guide Michelin ehrte in diesem Jahr 21 Südtiroler Restaurants mit den begehrten Sternen. Belvedere stellt drei Persönlichkeiten vor, die mit ihrer Küche Emotionen auslösen.

Der Gourmetführer Guide Michelin ehrte in diesem Jahr 21 Südtiroler Restaurants mit den begehrten Sternen. Belvedere stellt drei Persönlichkeiten vor, die mit ihrer Küche Emotionen auslösen.
Das Südtirol liegt beim Sterne-Ranking der italienischen Provinzen auf dem dritten Platz hinter Neapel und Rom punkto Toprestaurants. Tradition und der Sinn für Innovation prägen die Gastronomie, auch Charakterköpfe haben die Provinz in ihrer Geschichte vorwärts gebracht.
Chris Oberhammer, Heinrich Schneider und Stephan Zippel sind solche Persönlichkeiten und drei der besten Küchenchefs im Südtirol. Sie vermitteln ihren Gästen nicht nur einmalige kulinarische Erlebnisse, sondern verwenden auch bewusst lokale Produkte – und finden Rohstoffe für ihre Kreationen teilweise sogar im Wald.
Das Sterne-Restaurant Tilia von Chris Oberhammer liegt im Park des ehemaligen Grandhotels Toblach im Pustertal im Südtirol. «Tilia» ist der lateinische Name des Lindenbaums, der seit jeher ein Symbol für Gastfreundschaft, Bescheidenheit und Erholung ist. Und erholen soll man sich in diesem Lokal.
Das elegante Fine-Dining-Lokal in einem Glaspavillon trägt einen Michelin-Stern. Der Spitzenkoch betont jedoch bei unserem Besuch, dass ihm das nicht so wichtig sei, obwohl es natürlich eine grosse Anerkennung für ihn bedeutet. «Ich möchte, dass die Gäste wegen des Essens kommen und nicht wegen der Sterne!», sagt er, «sie sollen die Atmosphäre geniessen und keinen Stress haben». Fine Dining löse bei manchen Gästen zuerst Stress aus – bis sie innerlich ankämen und sich entspannten.
Zur Ruhe trägt bei, dass das Restaurant bloss zehn Sitzplätze hat. Es gibt einen Vier- und drei Zweier-Tische. «Dieses Konzept hat sich seit zwei Jahren bewährt», sagt Chris Oberhammer.
Bei der Eröffnung 2010 hatte das Lokal noch 28 Plätze. Rentiert das? «Wir können zumindest unsere Rechnungen und die Landwirte bezahlen, die uns beliefern», sagt Oberhammer. Die Platzbeschränkung resultiert einerseits aus den Erfahrungen mit den Beschränkungen während der Corona-Pandemie. Ein weiterer Grund: Der 50-jährige Spitzenkoch steht allein in seiner kleinen Küche. «Ich bin in Europa meines Wissens nach der einzige, der so arbeitet und einen Stern hat.» Die Partnerin Anita Mancini ist für den Service und die Weinberatung verantwortlich.
«Eine Küche, die das Produkt besingt», beschreibt Chris Oberhammer die feinsinnig komponierte Speisekarte seines Restaurants. Es gibt ein Degustationsmenü mit drei, vier oder fünf Gängen – und zwölf wechselnde Gerichte à la Carte.
Die Rohstoffe bezieht der Koch in seiner unmittelbaren Umgebung im Südtirol, bei zwei Bauernhöfen. «Ich räume den Erzeugnissen, Aromen und Farben der Heimat besonders hohen Stellenwert ein», sagt Oberhammer, der selbst in Toblach aufgewachsen ist. Nach einer steilen Gastrokarriere bei Alain Ducasse in Frankreich und Monaco kam er 2010 ins Südtirol zurück.
Oberhammers Gerichte basieren auf der klassischen französischen Küche, die er modern interpretiert. Er legt Wert aufs solide Kochhandwerk. Daraus resultieren dann beispielsweise eine gekochte Kalbsschulter, bedeckt mit einem Pfifferling-Tartar, serviert in einer doppelten Kraftbrühe. Ein Signature Dish im «Tilia» ist ein veredeltes Südtiroler Berghütten-Gericht: Polenta mit Käse und Ei. Das schmeckt köstlich. Chris Oberhammer ist auch der Organisator des jährlichen «Dolomiti Gourmetfestivals». Das Festival ist eine kulinarische Reise mit regionalen Köstlichkeiten durch verschiedene Locations und heimische Gastbetriebe. Am Festival sind auch internationale Köche zu Gast.
Der 50-jährige Heinrich Schneider kocht im höchstgelegenen Michelin-Sternerestaurant Italiens, mitten im Südtiroler Sarntal. Schneider ist sowohl Gastgeber des «Relais & Châteaux-Terra – The Magic Place» als auch Koch im dazugehörigen Restaurant Terra. Es hat zwei Michelin-Sterne.
Zusammen mit seinen ehrgeizigen jungen Köchen schafft er für seine Gäste jeden Abend ein unvergessliches Erlebnis der Spitzenklasse auf den Tellern: Die Kreationen sind ausgeklügelte Kunstwerke und bieten zugleich einmalige Geschmackserlebnisse.
Gut essen bedeutet für Schneider Unerwartetes erleben. «Wir bringen die Natur auf den Teller, durch welche die Gäste tagsüber gewandert sind.» Denn man isst im Terra Zutaten in den Gerichten, die es auf keinem Markt zu kaufen gibt.
Heinrich Schneider hat eine Ausbildung zum diplomierten Wildkräuterfachmann gemacht und sagt von sich selbst: «Es macht mir immer wieder Spass, unsere Gäste mit Zutaten zu überraschen, die für sie völlig neu sind. Alle Kräuter sammle ich selbst, sie kommen somit frisch direkt vom Wald auf den Tisch. Das ist zum Teil auch mein Ausgleich, denn ich liebe die Bergwelt.»
Schneider unternimmt einen täglichen Waldrundgang. Es ist erstaunlich, was am Wegrand und im Wald alles Essbare wächst. «Giftige Wildpflanze wachsen hier fast keine», erklärt der Koch fachkundig. Dann beugt er sich hinunter, um Hirschkornflechte – auch bekannt als isländisches Moos – zu pflücken und sorgfältig in einem Plastikbeutel in seinem Korb zu versorgen.
Die Köche legen die Flechten in Milch ein, damit der intensive Geschmack sich abmildert. Man findet sie später in einem Gericht sowie auch im Tee wieder. Auch Fichtennadeln werden eineinhalb Jahre eingelegt für eine dekorative grüne Essenz.
Oh, ein Steinpilz, und gleich noch einer sowie auch ein Habichtspilz. Heinrich Schneider pflückt im Wald weitere Wildkräuter wie Gundelrebe, Sauerklee, Wildkerbel. Das «Terra» hat auch einen Blumen- und Kräutergarten auf seinem Areal, wo sich die Köche ebenfalls bedienen.
Aus all diesen Zutaten entstehen wunderbare und schön anzusehende Gerichte. Beispielsweise die Regenbogenforelle, mariniert mit getrockneten Holunderblüten, Melisse-Perlen und Buttermilchgel. Oder das Dessert «Weisse Erdbeer-Sphäre, Gundelrebe-Creme, Granita vom Wiesenkerbel und Fichtenölsteine».
Schneider ist Autodidakt. Seine Mutter erweckte in ihm die Liebe für Kräuter und Pilze. Er und seine Schwester Gisela assen mit ihren Eltern schon früh in exklusiven Sternerestaurants. 1998 übernahmen sie den Betrieb ihrer Eltern, der früher Auener Hof hiess und Südtiroler Spezialitäten anbot. «Am Anfang war es schwer», betont der Küchenchef. Bis sie sich entschieden, auf das heutige Konzept umzuschwenken und sich damit abzuheben. Diese Bemühungen haben die Gastroführer belohnt – 2008 erhielt das «Terra» den ersten und 2017 den zweiten Michelin-Stern. Zudem hat der Betrieb auch einen grünen Stern, der für Nachhaltigkeit steht.
Gelernter Tischler, Biathlet, stolzer Vater zweier Kinder und Vertreter einer neuen Generation von Sterneköchen: Das ist der gebürtige Rittner Stephan Zippl. Der 35-Jährige kennt die Wälder, Wiesen und Bauernhöfe rund um Oberbozen wie seine Westentasche.
Denn er bezieht die Produkte für seine Küche in der Region. «Wir kochen das, was im Garten wächst», sagt Zippl. Er arbeitet mit Bauern zusammen, die ihn teilweise exklusiv beliefern. «Was auf den Teller kommt, ist soviel wie möglich saisonal und regional.»
Seine berufliche Karriere hat der Spitzenkoch als Tischler gestartet. Die Leidenschaft zur Küche und zu guten Produkten war dann aber doch grösser – er lernte sodann das Handwerk in verschiedenen renommierten Betrieben. Unter anderem arbeitete er im «Rosa Alpina» in St. Kassian unter Norbert Niederkofler, der als einziger Koch im Südtirol drei Michelin-Sterne hat.
Seit Herbst 2016 hat Stephan Zippl die Küchenleitung im Gourmet-Restaurant 1908 des Parkhotels Holzner inne. Er kreiert dort mit besten regionalen Zutaten spannende und überraschende kulinarische Genüsse. 2020 führte das Hotel das Regional-Konzept ein und dieses kommt gut an.
«Viermal im Jahr wechseln wir die Karte und richten uns nach dem Angebot an Lebensmitteln aus, die verfügbar sind», erklärt der Spitzenkoch. Das trägt Früchte: Sein Restaurant erhielt im Gault Millau 2021 eine Auszeichnung für die «Innovation des Jahres» und gehört mit 17 Punkten zu den Top 10 in Südtirol. Im Guide Michelin 2022 erhielt Zippl zudem einen Stern und einen Grünen Stern, der für besonderes Engagement für nachhaltiges Arbeiten steht.
Stephan Zippl bleibt bei all dem Erfolg ein nahbarer und stets gutgelaunter Koch, der gerne mit seinem «Publikum» in Kontakt tritt. «Ich gehe jeden Tag zu den Gästetischen und hole mir Feedback, denn ich möchte herausfinden, welches der beste Teller war und wo wir uns noch verbessern könnten». Er nimmt jede Rückmeldung ernst. «Jeder hat schliesslich eine Meinung zum Essen, ob er nun Bauer, Tischler oder einen anderen Beruf hat.»
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