Die Felsenkirche von Raron ist wohl so manchem schon ins Auge gestochen. Sie thront links auf einem Felshügel, zu sehen auf der Durchfahrt von Gampel nach Visp. Zwischen diesen Gemeinden am Südhang liegt die Lötschberg-Region mitsamt ihren kulturellen Reichtümern – die wohl meist unterschätzte Gegend im Wallis. Dabei lohnt sich ein Abstecher in diese Landschaft mit dem noch immer ursprünglichen Baltschiedertal und Bietschtal, den spektakulären Suonen, einem historischen Ritterdorf und gar einer Eiszeithöhle.

Felskirche von Raron
Imposant: Die Burgkirche bei Raron. © Melanie Meister

Der Kulturweg

Als sich die Rhone noch wild mäandrierend in der Talebene ausdehnte, wurden Siedlungen schutzsuchend am Südhang erbaut. So auch Ausserberg, St. German und Raron. Die historische Route zwischen diesen Gemeinden war in früheren Jahrhunderten die einzige Verbindung durch das Rhonetal. Heute gilt der erhaltene Naturweg als äusserst beliebtes Wanderziel und trägt den Namen «Kulturweg». Die Tafeln am Rand führen die Wandernden unter anderem in frühere Zeiten, in die Walliser Weinbaukultur und durch eine abwechslungsreiche Flora und Fauna. Mit etwas Glück kann man hier dem Gesang der Nachtigall lauschen.

Kulinarische Freuden

Auch Gourmet-Freunde kommen in dieser Region auf ihre Kosten. In Raron gibt es die «Kulinarische Ver-Führung». Auf dem mehrstündigen Dorfrundgang wird Leib und Seele verwöhnt. Die Entdeckungsreise führt zu Fuss durch das Rilkedorf – der bedeutende Dichter Rainer Maria Rilke fand bei der Burgkirche seine letzte Ruhe. Von diesem Ort mit fantastischem Ausblick über das Rhonetal geht es weiter zur Felsenkirche. Das grösste Gotteshaus der Neuzeit wurde vollumfänglich in das Felsinnere gebaut. Die Führung wird jeweils durch ein Menügang in den lokalen Restaurants unterbrochen. Auch zum schmucken alten Dorfkern gibt es Interessantes zu hören. Die letzte «Ver-Führung» kommt als Dessert daher.

Leckere Resultate der lokalen Eglizucht. © Melanie Meister

Egli von der Südrampe

Die Lötschberg-Region hat auch an Bekanntheit gewonnen durch den Bau des NEAT-Tunnels. Hätten Sie gewusst, dass die Egli-Zucht in Raron einen direkten Zusammenhang zum Tunnel hat? Während der Bauphase stiess man auf Quellen, die durch den Tunnel abgeleitet wurden. Dieses reine Bergquellwasser hat das ganze Jahr über konstant 18 Grad – ideal für die Aufzucht von Egli. Auf der Terrasse des Restaurants Lauber in St. German, mit Blick ins Tal auf die Zucht, kann man die köstlichen Filets geniessen.

Heiligenbilder im Steilhang

Die Lötschberg-Südrampe verkörpert die trockenste Region der ganzen Schweiz. Zeitlebens war die Bevölkerung hier darum auf die Bewässerung durch Suonen angewiesen. Die Wasserleiten bestehen aus offenen Gräben und ausgehölten Baumstämmen. Spektakulär und bemerkenswert haben damals die Suonen-Erbauer unter Lebensgefahr gearbeitet. Kein Wunder, findet man noch heute bei besonders ausgesetzten Stellen Heiligenbilder am Wegrand. Auf abenteuerlichen Wegen gelangt das mineralienreiche Gletscherwasser so auf die trockenen Weiden und Weinberge. Wie Trennstriche in der Landschaft sind Suonen erkennbar; nämlich dann, wenn an einem Hang die Felsensteppe verdorrt ist und unterhalb die Weiden konträr in sattem Grün leuchten.

Spektakulär: die Suone «Niwärch». © Melanie Meister

Den Suonen entlang

Eine Wanderung entlang dieser historischen Wasserleiten lohnt sich allemal. Von Eggen, einem Weiler von Eggerberg, führt ein abwechslungsreicher Weg entlang der Suone Gorperi. Er kommt ohne Steigung aus und das kühle Nass bietet die gewünschte Abkühlung. Die Suone verläuft durch Waldstücke, führt durch Felsentunnel und schlängelt sich um Felsbrocken. Das abgeschiedene Baltschiedertal bildet den Rahmen, und die alte Handwerkskunst der Suonen-Erbauer sorgt für das besondere Landschaftsbild.

Bei Zu Steinu am Baltschiederbach befindet sich die Wasserfassung der Suone. Hier startet auch die Suone «Niwärch», die wohl spektakulärste im Oberwallis. Schwindelerregende Teilstücke entlang von steilen Felswänden wechseln mit ausgesetzten Passagen über schmale Holzstege. Sie führt bis nach Ausserberg. Wem dies zu riskant ist, der wählt den unteren, sicheren Weg entlang der Suone «Undra». Zum Schluss dieser Tour lohnt sich ein Abstecher zu Orlando im Fischerbiel. Der Biohof hat er an Jüngere verkauft, doch seine Leidenschaft, das Geschichten-Erzählen, führt er weiterhin in der kleinen «Beiz» fort. Zwischen Walliserstadeln und Steinplattendächern geniessen Gäste ein Walliserplättli mit Wein und lauschen den lebhaften Erzählungen aus Orlando’s Leben.

Niedergesteln gilt
als Ritterdorf. © Melanie Meister

Tafeln wie ein Ritter

Zu den fünf schmucken Dörfern der Lötschberg-Region zählt auch Niedergesteln – das Ritterdorf. Der Name kommt nicht von ungefähr, denn einst thronte oberhalb des Dorfes die Gestlenburg. Die Freiherren von Turn regierten im Mittelalter über grosse Gebiete vom Lötschental bis ins Berner Kandertal. Noch heute führt ein Weg vorbei an den aus Holz geschnitzten Rittern mit ihren heldenhaften Taten hoch zu den Überresten der Burg. Unten im alten Dorfteil, genauer im restaurierten Wefahüs, gibt es die Möglichkeit ein Rittermahl zu geniessen: Eintauchen ins Mittelalter mit Köstlichkeiten, die auf dem offenen Feuer zubereitet werden. Niedergesteln mit seinem charmanten Dorfkern und den traditionellen Bauernhäusern zählt zu den schönsten Schweizer Dörfern. Einzigartig ist daneben auch die lokale Eiszeithöhle. Durch die unglaublichen Kräfte von Wasser und Eis entstand auf dem Burghügel das sogenannte «Feschtiloch». Die Grotte ist beleuchtet und kann von Osten nach Westen durchquert werden.

www.loetschberg-region.ch