Im Jahre 1964 wurde unter der Leitung des Präsidenten der Uniun Cristallina, Josef Furger (1917–2013), die erste Mineralienbörse in einem kleinen familiären Rahmen durchgeführt. Es waren lediglich drei Aussteller anwesend. Die ursprüngliche Idee dahinter war, Kristalle an Feriengäste zu verkaufen. Während mehrerer Jahre wurde die Ausstellung in der Turnhalle Disentis mitten im Dorf durchgeführt. Durch den Neubau der Mehrzweckhalle kam dann eine ideale Lösung am Dorfrand zustande. Seit 1986 findet die Mineralienbörse jährlich dort statt. Im Laufe der Zeit hat sie sich zu einer wichtigen und weitherum bekannten Ausstellung entwickelt. Die Zahl der Aussteller variiert zwischen fünfzig und siebzig. Besucherinnen und Besucher kommen aus der ganzen Schweiz, aus Italien, Österreich, Deutschland, Frankreich und Belgien.

Bergkristall – ein Schatz aus den Schweizer Alpen. © Albert Russ / Shutterstock

Disentis liegt in einem reichen Mineraliengebiet. Vorwiegend sind es Strahler, die ausstellen, und nicht Händler. Es dürfen lediglich Schweizer Kristalle und Mineralien ausgestellt werden. Jedes Jahr findet ausserdem eine Sonderausstellung mit den schönsten, unverkäuflichen Schätzen aus dem Privatbesitz der Strahler statt. Aus Privatsammlungen stammt auch ein Teil der ausgestellten Kristalle im Museum Cristallina. Jeweils für drei Jahre werden sie von den Strahlern zur Verfügung gestellt und ergänzen die Museumssammlung. Damit diese Sammlung nicht veräussert werden kann, wurde vor ein paar Jahren die Stiftung Fundaziun museum mineral alpin mit Sitz in Disentis gegründet.

Vielfältige Formen und Raritäten

Die Gemeinde Disentis/Mustér liegt im östlich auslaufenden Aaremassiv und im Tujetscher Zwischenmassiv, das zwischen Aare- und Gotthardmassiv eingeklemmt ist. Beide Massive sind reich an begehrten, vielfach sehr schön ausgebildeten Kluftmineralien, wobei Quarzite den Hauptanteil bilden. Dazu kommen Quarze, landläufig unter dem Namen Bergkristall bekannt, Rauchquarz und Mineralien wie Anatas, Adular, Amiant, Apatit, Calcit, Pyrit, Epidot, Siderit und Titanit, selten wird Berggold gefunden.

Der Epidot variiert von dunkelgrün bis gelbbraun und ist ein ausserordentlich hartes Mineral. © Albert Russ / Shutterstock

Disentis war kulturell und politisch im Mittelalter eng mit der Lombardei verbunden. Es darf angenommen werden, dass die Region Disentis mit zu den bedeutenden Rohmateriallieferanten der berühmten Kristallschleifereien von Mailand gehörte. Sehr wahrscheinlich wickelte sich der Handel mit Kristallen über das Kloster Disentis ab. Schriftliche Dokumente über frühere intensive Handelsbeziehungen zu Italien wurden wohl beim Klosterbrand in der Franzosenzeit vernichtet. Strahler waren und sind noch heute vor allem Leute, die fasziniert sind von den vielfältigen Formen, Raritäten und

wunderbaren Kristallstufen. Die meisten betreiben das Strahlen als Hobby, aber es ist eine anstrengende Tätigkeit, die viel Geduld und Ausdauer voraussetzt. Oft muss nach einem intensiven Arbeitstag mit Auf- und Abstieg festgestellt werden, dass das grösste Glück darin liegt, heil wieder zu Hause anzukommen. Wenn das Strahlerfieber den Menschen einmal gepackt hat, dann gibt es in der Regel kein Zurück.