Der Klimawandel macht sich bemerkbar. Auch im Weinanbau. Und auch in Europas höchstem zusammenhängenden Weinberg zwischen 650 und 1150 Metern über Meer: In Visperterminen hat die Ernte letztes Jahr bereits zum zweiten Mal in Folge gleichzeitig mit jener in Salgesch begonnen. «Früher starteten wir immer zehn bis vierzehn Tage nach dem tiefer gelegenen Salgesch», sagt Michael Hock, Kellermeister der St. Jodern Kellerei in Visperterminen. «Im Frühling ist es nun bei uns früher warm, und die Pflanzen treiben fast gleichzeitig aus wie jene in Salgesch.»

Mehr Oechsle

Michael Hock musste auch bereits die Oechsle-Vorgaben für die Pinot-Noir-Trauben anpassen. Die Genossenschaftskellerei möchte Pinot-Trauben mit einem Zuckergehalt von 94 Oechsle. «Früher erhielten unsere Genossenschafter weniger Geld für ihre Trauben, wenn sie darunter lagen», sagt Michael Hock. Eine obere Grenze gab die Kellerei nicht vor. «Wir kamen gar nie auf einen zu hohen Oechslegrad.» Doch das hat sich mit der Klimaerwärmung verändert: «Lassen unsere Winzer die Pinot-Trauben jetzt zu lange hängen, haben sie plötzlich zu viel Zucker und zu wenig Säure.» Darum gilt nun eine Vorgabe von 94 Oechsle mit einer Toleranz von Minus 3; erst wenn der Zuckergehalt unter 91 liegt, erhalten die GenossenschafterInnen weniger Geld für die Trauben.

Ziel ist, dass sie die Beeren nicht zu spät ernten. «In den tieferen Lagen drängt es sich längerfristig wohl auf, den Sortenspiegel anzupassen.» Überlegt sich ein Genossenschafter, auf eine andere Rebsorte umzusteigen, dann empfiehlt Michael Hocke, Pinot Noir oder Gamay durch Syrah zu ersetzen. «Syrah ist wärmetolerant und ist eine Rhonetal-Sorte, das macht Sinn.» Ein Umbruch benötigt aber immer auch Zeit: Die ersten beiden Jahre geben die neuen Reben keine Trauben, die ersten Trauben im dritten Jahr werden noch nicht geerntet. Die erste volle Ernte gibt es nach sechs bis sieben Jahren.

Höchster Weinberg Europas
© Olivier Maire

Das Positive

Der Heida, der Visperterminen und seine Weinberge weitherum berühmt gemacht hat, muss derzeit nicht ersetzt werden. «Diese Trauben brauchen einen hohen Reifegrad», sagt der Kellermeister. «Der Wein wird mit dem Klimawandel sogar spannender, denn die Traube hat viel Säure und viel Zucker.» Während der Pinot und der Gamay in den tieferen Lagen des Weinbergs leiden, stellt Michael Hocke in den höheren Lagen denn auch eine Verbesserung fest: «Dort haben wir in den letzten Jahren einen schöneren Reifegrad.»

Die Wetterkapriolen

Am meisten Sorgen macht der Klimawandel dem Kellermeister aber nicht wegen der früheren Erntezeit oder dem veränderten Zuckergehalt; darauf kann die Genossenschaft reagieren. «Der Klimawandel bringt vor allem auch Extremwetterereignisse mit sich.» Nassschnee im Mai kann die Austriebe abbrechen; Dauerregen im Februar Trockensteinmauern verwüsten; und immer öfter gibt es in Visperterminen trotz Schutz durch die Steillage und die Trockenmauern Frostnächte. «Diese Wetterkapriolen machen uns das Leben schwer.» Es gebe eigentlich gar keine Jahre mehr, die sich glichen. «Wir müssen auf die Begebenheiten spontaner reagieren und können uns kaum auf die Erfahrung aus früheren Jahren stützen.»

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