Björn Zryd, Sie haben einmal gesagt: «Kunsterklärungen mag ich nicht – es ist die Freude am Schaffen.» Kommt dieses Interview da eher ungelegen?

Das kommt auf die Fragen an. Hinter meinen Bildern und Skulpturen stecken schon immer Geschichten, und ich mache jeweils auch Beschriebe dazu. Aber warum genau ich nun Gelb neben Blau und Rot setze, mag ich nicht erklären, das kommt aus dem Bauch.

Also reden wir übers Schaffen. Wie sieht denn ein typischer «Zryd-Tag» aus?

Ich wähle in meinem grossen Archiv eine meiner Fotografien aus. Diese schneide ich dann am Computer so zu, dass mir der Ausschnitt gefällt. Dann drucke ich ihn schwarz-weiss aus und beginne zu zeichnen und zu malen, bis ich irgendwann fertig bin. Ich fange normalerweise zwischen 6 und halb 8 Uhr morgens an und höre nachmittags auf; der Tag ist also relativ strukturiert.

Sie sind selbstständig-freischaffender Künstler – mit Malen allein ist es da wohl nicht getan …

Ich vermarkte mich selbst mit Website und Newsletter. Ausstellungen organisieren, Konzepte erstellen, Offerten und Rechnungen schreiben; da kommen viele Sachen hinzu. Da ich ausserdem nur ab eigenen Schwarz-weiss-Fotos male, muss ich zu weiteren Vorlagen kommen. Zwischendurch gehe ich darum spontan fotografieren.

Sie wählen dabei meist traditionelle Sujets wie Kühe, Ziegen oder Chalets. Warum?

Vor 19 Jahren hatte ich ein intensives Erlebnis. Ich kam damals an meine Grenzen mit ehrenamtlicher Arbeit, setzte mich in Vereinen und Vorständen ein, wollte überall helfen. Dadurch wuchs mir jedoch alles über den Kopf, ich hatte keine Zeit mehr zum Schaffen. Dann schaute ich eines Tages zur Werkstatt hinaus, und da war eine Kuh. Ich dachte: «Die sieht zufrieden aus, doch mir geht’s nicht gut. Sie ist genügsam, sie frisst einfach, lässt sich melken und geht schlafen. Wir aber rennen von einem Termin zum anderen und können es nicht einmal mehr verarbeiten.» Dieses Erlebnis ist mir derart «eingefahren», dass ich anschliessend meine erste Kuh malte.

Wien dä meit...
Kühe sind ein wiederkehrendes Motiv: „Wien dä meit“ © Björn Zryd

Die Kuh war also ein Signal, um die Belastung herunterzufahren?

Ja. Die laufenden ehrenamtlichen Sachen machte ich noch fertig bis zum Ende der Amtszeit. Danach brach ich alles ab und habe auch nichts mehr Neues angenommen. Seither kann ich mich im freien Arbeitsprozess viel besser gehen lassen.

Und Sie sind bei Kühen und Geissen als Sujets geblieben.

Das hat sich natürlich auch ergeben, weil ich halt auf dem Land, in einem Seitental am Geilsbach wohne. Früher malte ich surrealistisch, in der Jugend war Dalí ein Vorbild. Zwischen 20 und 35 Jahren habe ich alles ausprobiert, ich arbeitete mit Polyester, Gips, Stein, Eisen. Dann aber bin ich zu den Wurzeln zurückgekehrt und begann mich für Dinge zu interessieren, die früher einfach nur da waren. Das ländliche Umfeld, das Glockengeläut bei der «Züglete»: Da merkst du plötzlich, wie schön das tönt. Vorher gingst du einfach zur Seite und fertig.

Und welche Bedeutung haben die Berge bei der Malerei?

Schon immer hatte ich das Gefühl, dass die Berge auf mich aufpassen. Wir sind ja von Gipfeln umgeben in Adelboden, und jeder davon ist wie ein Wächter, der mir sagt: «Wir schauen dann schon, dass dir nichts passiert.» Anderen macht es Angst, wenn sie die steilen Hänge sehen. Ich dagegen fühle mich aufgehoben, das sind meine Hüter.

Aabäwächter
„Aabäwächter“: Bei Zryd vermitteln Berge Geborgenheit © Björn Zryd

Sind Sie denn oft in den Bergen unterwegs?

Ja, wandern gehört bei mir einfach dazu. Dabei kann ich die Natur «aufsaugen», das tut mir gut. Und die Kamera habe ich immer dabei.

Bergmalerei ist das eine. Als Bildhauer setzen Sie dagegen meist auf abstrakte Formen. Wieso eigentlich?

Vor allem beim Holz ist mir das wertvolle Material wichtig. Ich schleife jeweils lange anden Skulpturen, damit die Maserung richtig zum Vorschein kommt. Das Grundthema sind dabei immer Begegnungen, von links und rechts, von unten und oben. Es geht um die Idee von zwei Teilen, die zu einem Ganzen verbunden werden – das ist meine Formensprache und mein Formenfluss.

Sie arbeiten dabei mit Ahorn, Kirsche oder Fichte …

Das Holz sammle ich selbst und lagere es dann sechs, sieben Jahre bei mir zu Hause. Wenn die Bauern im Frühling kranke Obstbäume fällen, frage ich oft, ob ich Teile davon haben kann. Für die Landwirte ist das Brennholz, doch ich mag dieses fehlerhafte Material. Manchmal hat ein Ausgangsstück einen Spalt, der bleibt dann halt auch in der Skulptur erhalten.

Liegt dieser kreative Blick in Ihrer Familie?

Mein Vater hatte ein Pflästerer-Geschäft und arbeitete viel mit Naturstein – er hatte sicher eine künstlerische Ader. Ausserdem wohnte der Grossvater früher gleich nebenan, der nahm sich Zeit, um mit mir Kühe zu schnitzen: Als Elfjähriger verkaufte ich diese dann in den Ferien an Touristen.

Danach absolvierten Sie die Schule für Holzbildhauerei. Wie künstlerisch ist diese Ausbildung?

Es ist eine technische, handwerkliche Ausbildung, in der penetrant auf Details geachtet wird. Darum haben viele auch ein Problem damit, wieder von diesen Vorgaben wegzukommen. Wenn man vier Jahre gelernt hat, wie man einen Kopf schnitzen soll, hat man danach die grösste Mühe, ein eigenes Auge, einen eigenen Ausdruck zu finden. Darum habe ich mir schnell einmal gesagt, dass ich dieses Figürliche gar nicht mehr machen will und das Abstrakte für mich suche.

Björn Zryd beim Bildhauen
Konzentriert: Björn Zryd beim Bildhauen © Anja Zurbrügg Photography

Wie verlief Ihr Weg Richtung Selbstständigkeit weiter?

Als ich nach Abstechern nach England und Deutschland wieder nach Adelboden kam, wollte ich einfach schnitzen. Aber dafür war zu wenig Nachfrage vorhanden. In dieser Zeit machte ich eine Zweitlehre bei meinem Vater als Pflästerer. Das half, die Selbständigkeit aufzubauen: Ich konnte immer zwei, drei Tage freinehmen, wenn es einen Auftrag gab. Mit 26 Jahren sagte ich mir: «Entweder betreibe ich das als Hobby, oder ich breite mich weiter aus.» Da ich in der Ausbildung auch Schriftenmalerei und Zeichnen gelernt hatte, bot ich mich auch für solche Aufträge an. Und ich begann, Ausstellungen mit Bildern zu organisieren.

Welche Ausstellungen sind besonders in Erinnerung geblieben?

In Biel gab es eine Ausstellung, die ich 40 Tage «gehütet» und dabei kein Bild verkauft habe. Das war mir eine Lehre. Oder meine erste Ausstellung in Adelboden: Ich malte noch surrealistisch und hatte lange Haare, es war also alles etwas heikel. Mein Vater sagte: «Björn, stell daneben doch noch ein paar Aquarelle von Bergen aus.» Das habe ich auf seinen Rat hin gemacht, und die Reaktion einiger Adelbodner war: «Der macht Zeug, das man nicht versteht – dabei könnte er so schön malen.»

Hat sich Ihr Image in Adelboden denn über die Jahre verändert?

Das war ein längerer Prozess. Aber wenn ich etwa eine Wandmalerei mit einer Distel anfertigte, dann merkten die Leute schon: Der kann was, und so stieg die Akzeptanz im Dorf. Mittlerweile bin ich hier anerkannt, und es gibt auch Bauern, die sagen: «Das ist eine wunderschöne Kuh. Aber musst du immer so schludern?»

Ihre Bilder hängen nun unter anderem bei Nationalrat Albert Rösti im Büro. Ist es Ihnen egal, wer Ihre Werke kauft?

Ich habe bei Anfragen für Aufträge auch schon «Nein» gesagt. Ich habe es auch nicht so gern, wenn ich weiss, dass ein Bild bei Sammlern irgendwo im Keller oder Estrich landet. Daneben versuche ich, die Preise so zu gestalten, dass auch Leute mit knappem Budget es sich leisten können. Das ist mir wichtig.

www.bjoernzryd.ch