Mit viel Hintergrundwissen und Passion stellt die Sommelière den passenden Wein zum exquisiten Essen vor, zeigt die Etikette – und krack, sie dreht den Verschluss der teuren Flasche auf. Ein Stilbruch, der für viele unvorstellbar ist. Denn nach wie vor gilt: auf eine gute Flasche Wein gehört ein Korkzapfen. «Es gibt zwei Aspekte, wenn es um die Frage der Flaschenverschlüsse geht», sagt denn auch Markus Weisser, Önologe beim Weinkeller L’Orpailleur in Uvrier im Wallis. «Es gibt den technischen und den psychologischen Aspekt.»

Die harmonische Alterung

Ein Zapfen aus Naturkork ist luftdurchlässig; er verschliesst eine Flasche nicht hermetisch, sondern gewährt den Sauerstoffaustausch. Aus technischer und wissenschaftlicher Sicht lässt er den in die Flasche abgefüllten Wein harmonisch altern.

Der Korkzapfen ist ein Naturprodukt. Daher ist jeder Zapfen ein wenig anders, was dazu führen kann, dass am Ende auch jede Flasche Wein anders ist. Und vor allem kann der Korkverschluss zu «Zapfen» führen: Zu jenem modrigen Geschmack, der den Weingenuss vergällt.

Darum wurde als Alternative der Drehverschluss entwickelt. Auch dieser lässt ein wenig Sauerstoff durch. «Er hat eine genau definierte Sauerstoffdurchlässigkeit», sagt Markus Weisser. In der Schweiz sei der Drehverschluss bereits in den 1980er-Jahren eingeführt worden. «Und zwar zuerst beim Chasselas, denn dieser Weisswein ist so subtil und nuancenreich, dass der unterschwellige Korkengeschmack sehr rasch zu spüren war.» Heute werden auch zahlreiche Rotweine so verschlossen.

Das Resultat

Untersuchungen haben es gezeigt, und auch Markus Weisser hat sich bei Verkostungen davon überzeugen können: Auch mit Drehverschluss altert ein Wein von hoher Qualität sehr gut. «Nach zwanzig Jahren in der Flasche ist ein High-End-Wein mit Korken gealtert; mit Drehverschluss wirkt er jünger.» Mit Drehverschluss altere der Wein gleichmässiger, das heisst, alle Flaschen des gleichen Jahrgangs seien identischer, als wenn derselbe Wein mit Korkverschluss gelagert worden sei. Markus Weissers Fazit: «Auch Qualitätswein altert mit Drehverschluss gut.»

In Neuseeland und Australien werden denn auch 80 Prozent aller Weine mit Drehverschluss hergestellt. «Auch teure Weine», betont Markus Weisser. «Sie sind da sehr pragmatisch.» Auch weil der Korken aus Europa kommt und auf dem langen Weg bis nach Neuseeland und Australien erst recht anfällig ist für Schimmelpilz.

Ganz anders präsentiert sich die Situation in Frankreich: «Da hat der Drehverschluss ein extrem negatives Image», sagt Markus Weisser. «Das ist dort ein Zeichen für Billigware.» Das liege wohl auch an der langen Geschichte des Weinanbaus in Frankreich und den damit verbundenen Traditionen. Und damit kommt der psychologische Aspekt des Verschlusses ins Spiel. «Weingenuss ist nicht rein rationell», sagt der Önologe. Für viele gehöre der Zapfen und das «Plopp» beim Entkorken der Flasche einfach zu einem guten Glas Wein. Darum werde der Korkverschluss wohl noch lange eingesetzt werden. «Schliesslich machen wir Wein für die Kundschaft.»

Die anderen Zapfen

Damit die Kundschaft weiterhin ihre Flaschen entkorken kann, das Risiko auf Zapfengeschmack

aber ausgeschlossen wird, wurde der synthetische Zapfen erfunden. Die Vorteile: Jeder ist genau gleich. So weiss der Önologe, wie viel Sauerstoff er durchlässt und welcher Zapfen für welchen Wein ideal ist. Der Nachteil: «Es ist halt ein Stück Plastik», sagt Markus Weisser lapidar. Er fügt aber auch an, dass es nun Zapfen gibt, die zu grossen Teilen aus Polymeren besteht, die aus Zuckerrohr fabriziert und daher umweltverträglich sind.

Auch Glaspfropfen gibt es. «Das ist ein schönes Objekt», sagt Markus Weisser. Weil es aber nicht optimal an den Flaschenhals angepasst werden könne, brauche es zur Abdichtung einen Silikon-Dichtungsring. Wie der Wein mit Glasverschluss altere, sei noch kaum untersucht.

Darum gibt es auch noch den agglomerierten Korkzapfen: Er ist aus kleinsten Naturkork-Teilen neu zusammengepresst worden. Die Kleinstteile konnten so gereinigt werden, dass garantiert keine Moleküle mehr daran sind, die den modrigen Zapfengeschmack auslösen können. «In unserem Weinkeller benutzen wir diese Korken», sagt Markus Weisser. Und das kommt auch ihm gelegen. Denn er gibt zu: Auch ihm schmeckt ein edler Tropfen am besten, wenn er zuvor beim Entkorken das «Plopp» gehört hat.

www.orpailleur.ch