Stellt man sich den Garten Eden vor, kommt die Gegend um den Bodensee schon ganz nah hin: Ein lieblicher See inmitten sanfter Hügel, beschauliche Städtchen und Zeugnisse kultureller Hochblüte. Dass die irdischen Paradiese gefährdet sind, wissen wir inzwischen leider nur zu gut – dass man sich am Bodensee nicht erst jetzt um den Erhalt des einmaligen Lebensraums bemüht, vielleicht noch zu wenig.

Um den vielen Einzelinitiativen mehr Sichtbarkeit zu verleihen, hat die Deutsche Bodensee Tourismus GmbH mit den Gemeinden 2021 die Marke «ECHT nachhaltig» geschaffen. Verstanden wird sie als eine Art Meta-Qualitätsauszeichnung unter Einbezug bestehender Zertifizierungen – kurz gesagt bezeichnet sie ein Netzwerk von Akteuren aus verschiedenen Branchen, die Nachhaltigkeit in der Region fördern. Nützlich ist das für alle, die ihre Ferien umweltverträglich gestalten möchten: Ob man nun auf der Suche nach einer Unterkunft, einem Restaurant oder einem Hofladen ist, auf der Website von «ECHT nachhaltig» findet man eine aktuelle Liste aller teilnehmenden Partner. Bei einer kleinen Probe aufs Exempel mit Ausgangspunkt Überlingen kommt jedenfalls keine Verlegenheit auf – sogar eine Schifffahrt auf dem See ist nicht mehr nur lustig, sondern auch grün.

Grüne Schifffahrt und Genuss

Fast lautlos legt das erste E-Schiff vom Anleger in Unteruhldingen Richtung Mainau ab. Der Katamaran produziert durch Solarzellen auf dem Sonnendeck grünen Strom, kein bisschen Dieselgeruch liegt in der Luft unter den schattenspendenden Solarzellen, die das Licht von oben und von unten einfangen. Die «MS Insel Mainau» fährt seit letztem Herbst vorerst drei Destinationen an, und wenig erinnert an die stampfenden Motorschiffe älterer Baujahre mit öligen Maschinenräumen.

Hier findet man im Rumpf nur eine Batterie, die das kompakte Schiff mit Platz für 300 Passagiere antreibt. Bis 2035 wollen die Bodensee Schiffsbetriebe, die sich seit 2001 mit dem Umweltmanagementsystem EMAS für den Klimaschutz engagieren, ihre «Weisse Flotte» auf umweltfreundliche Antreibe umstellen. Seeluft macht bekanntlich hungrig, also auf nach Überlingen, am besten auf dem bekannten, vor genau 40 Jahren gegründeten Bodensee-Radweg. Zuerst lassen wir uns bei einem Tässchen Kaffee in der Kaffeerösterei KABO von Inhaber und Kaffeeconnaisseur Philipp Kesenheimer den nachhaltigen Kaffeeanbau erklären und schwelgen im Duft der Kaffeearomen – darf es ein schokoladiger «Ufergold»- oder ein floraler «Blütezeit»-Espresso sein?

Philipp Kesenheimer KABO
Philipp Kesenheimer kennt die Geheimnisse des Kaffeeröstens. © KABO

Südliche Matjes-Version

Ein paar Schritte weiter sollte man unbedingt das Überlinger Münster mit seinen wunderschönen Altären besuchen, bevor man den Fischbrötchen in der Auslage des Fischhaus Löwenzunft erliegt. Der See und seine Fische, das ist heute eine komplizierte Geschichte, so erzählt Marco Knoblauch, Bodenseefischer in der vierten Generation, vertraut mit der Bedeutung nachhaltiger Fischwirtschaft. Im sauberen Bodenseewasser fehle das Phosphat, die Fische wüchsen langsam – und dazu kämen die invasive Quagga-Muschel, der eingewanderte Stichling und die Kormorane. Der frühere «Brotfisch» Felchen wird rar, dafür gibt es gemäss Knoblauch inzwischen viele Rotaugen, die speziell verarbeitet sein wollen. Und so wird aus dem wenig geschätzten, grätenreichen Fisch eine südliche – und köstliche! – Version von Matjes.

Fischer am Bodensee
Die Bodenseefischer müssen umdenken. © Aline Grünbacher Photography

Fast schon einem Ausflug nach Mexico kommt ein Abendessen im stimmungsvollrustikalen «Guten Taco» gleich. Das Team von Alonso, Edwin, Enrique und Patricia bereitet aus frischen, regionalen Bio-Zutaten mit viel Enthusiasmus authentisch mexikanische Gerichte zu. Gerne wird den Gästen auch der Unterschied zwischen Taco, Quesadilla und Burrito erklärt, zwischen original mexikanischem Essen und Tex-Mex sowie zwischen Tequila und Mezcal, die man hier in Premium-Qualität probieren sollte.

Innovative Landwirtschaft

Wie lokaler Konsum und globale Landwirtschaft miteinander verstrickt sind, erfährt man beim Besuch des Überlinger Weltackers. Auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern – so viel, wie jedem Menschen auf der Welt durchschnittlich zur Verfügung steht – sind die wichtigsten Kulturen der Welt massstabsgetreu vertreten. Ganz konkret lassen sich komplexe Zusammenhänge erfahren, und erfreulich undogmatisch erklärt Anette Wilkening vom Weltacker-Team bei einer Führung, wie viel Fläche für Nahrungsmittel durch den Anbau von Pflanzen zur Energiegewinnung verloren geht, oder dass Rinder auf der Weide keine rülpsenden Klimakiller sind, sondern zum Erhalt des wertvollen, CO2 speichernden Weidelandes beitragen. Anstösse, sein eigenes Handeln zu überdenken, gibt es hier ohne erhobenen Zeigefinger rein durch die Anschauung.

Biolandhof Kelly
Der Biolandhof Kelly ist auf Süsslupinen spezialisiert. © Biolandhof Kelly

Ein praktisches Beispiel für nachhaltigen Ackerbau findet sich gleich in der Nähe auf dem familiengeführten Biolandhof Kelly in Herdwangen. Hier schlägt das Herz von Linda Kelly, 2019 als «Landwirtin des Jahres» ausgezeichnet, speziell für die Süsslupine. Mir Experimentierlust entwickelt sie aus der eiweissreichen Bohne immer wieder neue Produkte, wobei der heimliche Star ihr «Lupinello»-Kaffee ist, von Bohnenkaffee kaum zu unterscheiden, aber ohne Koffein und Säure viel bekömmlicher.

Was wäre der Bodensee ohne Wein? Im Burgunderhof in Hagnau baut ihn Familie Renn seit über zwanzig Jahren ökologisch an – die Idee komme ursprünglich von seiner Frau, erzählt Heiner Renn, er selbst hätte dem Ganzen erst nicht viel abgewinnen können. Die Entwicklung hat Andrea Renn recht gegeben, heute produziert der Burgunderhof eine Reihe von vielfach ausgezeichneten Weinen wie etwa ihren Müller-Thurgau. Tochter Julica Renn konnte mit ihrem Bio-Gin «Mile High 69» einen eigenen Erfolg landen – und damit selbst ihren zuerst wiederum skeptischen Vater überzeugen. Wer mag, kann auf dem Burgunderhof zwischen Reben und See auch in exquisit gestalteten Zimmern übernachten.

Julica Renn
Julica Renn in ihrer Destillerie. © Burgunderhof

Grüne Betten und regionale Tafeln

Stilvoll und biokompatibel Station machen kann man auch in zwei traditionsreichen, über mehrere Generationen familiengeführten Hotels, dem Seehof in Immenstaad und dem Hotel Maier in Friedrichshafen. Beide Häuser verbinden geglückt Tradition und Moderne – der frisch renovierte Seehof am Jachthafen, geführt von Hotelier Frank und Küchenchef Jürgen Hallerbach, punktet dabei mit einer eleganten Architektur aus alt und neu. Im Hotel Maier setzen Gastgeber Sandra und Hendrik Fennel auf regionale und nachhaltige Spitzengastronomie, denn im Restaurant «Speiserei» waltet seit Anfang Jahr mit Philipp Heid ein Chefkoch, der sich zuvor im «Prisma» in Vitznau einen Stern erkocht hatte. Ab 2024 soll Heid auch im «Zeppelin», dem neuen Hotelprojekt der Familie Fennel rund um die historischen Villa Gminder das Restaurant leiten – und möchte sich den grünen Michelin Stern für nachhaltige Gastronomie erkochen.

Hotel Maier
Nachhaltige Spitzengastronomie im Hotel Maier. © Die Speiserei, Winfried Heinze

Wer absolute Ruhe sucht und ultimativ entschleunigen möchte, der ist im Naturresort Gerbehof richtig. Hier, mitten im Grünen ausserhalb Friedrichhafens, setzt die Familie Wagner auf hohe Nachhaltigkeits-Standards – von der Küche, dem Naturspa-Bereich und den eigenen Obstplantagen bis zur eigenen Energiegewinnung aus Hackschnitzelanlage, Photovoltaik und Wasserkraft ist an jedes Detail gedacht. Eine besondere Ranch-Atmosphäre verdankt der Gerbehof seinen Ponys und der Pferdezucht; Pferdeliebhaber können hier Westernfeeling schnuppern und Kinder Reitstunden nehmen.

Text: Gabrielle Boller

www.echt-nachhaltig.de
www.tourismus-bw.de