Auf geschichtsträchtigen Wegen
Rauf aufs Bike oder rein in die Wanderstiefel und ab in die Vergangenheit: In Baden-Württemberg lassen sich über 40’000 Jahre Geschichte ganz ohne Zeitmaschine erleben.
Rauf aufs Bike oder rein in die Wanderstiefel und ab in die Vergangenheit: In Baden-Württemberg lassen sich über 40’000 Jahre Geschichte ganz ohne Zeitmaschine erleben.
Per Pedal und per Pedes geht es in die Eiszeit, zu den Römern und Kelten oder zu den mächtigen Herrschergeschlechtern des Mittelalters. Auch Akteurinnen des Barock, traditionelle Berufsstände und Vertreter der Industriekultur laden zum Besuch ein. Und natürlich die zahlreichen Dichterinnen und Denker, denen das «Literaturland» seinen Titel verdankt.
Bereits vor rund 40’000 Jahren erschufen die Eiszeitmenschen im Lone- und Achtal auf der Schwäbischen Alb Kunstgegenstände und Musikinstrumente, die uns heute den Atem verschlagen. Sie beweisen, dass der Mensch schon damals zu einer modernen Form von Bewusstsein gelangt war und sich mittels Musik, Symbolen und figürlicher Kunst ausdrücken konnte. Seit 2019 verbindet die Radstrecke «Eiszeittäler» Fundstätten und einschlägige Museen. Vom Start in Schelklingen über Blaubeuren und Ulm bis zum Archäopark Vogelherd bei Niederstotzingen. Der etwa 75 Kilometer lange, auch für E-Bikes bestens geeignete Radweg durch das UNESCO-Welterbe kann in beide Richtungen befahren und mit anderen Strecken kombiniert werden.
Am Obergermanisch-Raetischen Limes, wo einst die Römer entlang patrouillierten, um ihre Grenzen zu den Germanen zu sichern, lässt es sich heute hervorragend wandern und velofahren. Zahlreiche rekonstruierte Wachtürme und Kastelle sowie konservierte Baureste und Museen veranschaulichen das Leben der Römer in diesem Landesteil. Der Limes-Radweg führt auf 164 abwechslungsreichen Kilometern vom Odenwald über Hohenlohe und den Schwäbisch-Fränkischen Wald ins Remstal und auf die Ostalb. Ergänzt wird er vom Limes-Wanderweg. Zu Fuss kann man sich den Römern im Odenwald ab 2022 auch über die neuen «Römerpfade» nähern: Rund- oder Streckentouren von 5 bis 15 Kilometern Länge, mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Die vom Deutschen Wanderverband als «Kurzer Qualitätsweg Wanderbares Deutschland» zertifizierten Touren sind nach römischen Gottheiten benannt und vermitteln Informationen zur lokalen römischen Geschichte.
www.limesstrasse.de | www.roemerpfade.de
Sie ist die älteste Stadt nördlich der Alpen und war einst ein bedeutendes Handelszentrum, das Verbindungen bis nach Marseille und in den süditalienischen Raum pflegte. Die Heuneburg, im Altertum vermutlich als «Pyrene» bekannt, entwickelte sich ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. und hatte in ihrer Blütezeit so viele Einwohner wie das damalige Athen. Rund um die Höhensiedlung oberhalb der Donau führt ein 10,6 Kilometer langer und leicht zu bewältigender Wanderweg zu den Aussensiedlungen und keltischen Grabhügeln, wie dem Fürstengrabhügel Hohmichele, dem frühkeltischen Grabhügel Speckhau und der spätkeltischen Viereckschanze. Start und Ziel für die Tour ist die Übersichtstafel am Heuneburgmuseum in Herbertingen.
Der Löwenmensch aus dem Lonetal und die drei Löwen, die einst das Wappen der Staufer zierten und heute im Wappen Baden-Württembergs zu Ehren kommen, gaben den «Löwenpfaden» im Landkreis Göppingen ihren Namen. Den Spuren des ebenso mächtigen wie sagenumwobenen Herrschergeschlechts der Staufer folgt der Löwenpfad «Staufer-Runde». Ob im Wäscherschloss oder in den Überresten der Stammburg auf dem Hohenstaufen, die Geschichte der Staufer ist auf diesem Weg immer im Gepäck. Der vom Deutschen Wanderverband als «Kulturerlebnis» zertifizierte Rundweg verläuft auf rund 11 Kilometern zwischen Wäschenbeuren und Göppingen. Anspruchsvolle 372 Höhenmeter sind zu überwinden, belohnt wird man dafür mit sensationellen Ausblicken.
Kaum ein anderes Bundesland ist so reich an Burgen und Schlössern wie Baden-Württemberg. Fans von mittelalterlichen Ritterdomizilen und barocken Herrschersitzen werden auf dem «Radweg Burgenstrasse» zwischen Mannheim und Kirchberg an der Jagst in Begeisterungsrufe ausbrechen. Entlang der renommierten Ferienstrasse am Neckar reiht sich eine historische Sehenswürdigkeit an die andere. Wer die alten Gemäuer nicht nur von aussen oder bei einer Führung bestaunen möchte, kehrt in einem der Burg- und Schlosshotels ein oder übernachtet gleich dort. Allerdings ist eine gute Kondition Voraussetzung, da Herrschersitze naturgemäss meist auf Anhöhen liegen. Auch darüber hinaus bietet der Radweg ein paar kräftige Steigungen, etwa in Hohenlohe. Etwas weniger Muskelkraft ist hingegen im Neckartal gefordert, wo der Radweg noch relativ flach verläuft.
Der beeindruckende Bibliothekssaal im ehemaligen Kloster Bad Schussenried ist ein Juwel des Rokoko und eine der Hauptsehenswürdigkeiten an der Oberschwäbischen Barockstrasse. Auf 860 Kilometern verbindet diese rund 55 barocke Sehenswürdigkeiten. Wer opulente Baukunst liebt und gerne auf zwei Rädern unterwegs ist, nutzt einen der vielen Radwege entlang der Route für eine Erkundungstour. Etwa den Oberschwaben-Allgäu-Radweg zwischen Aulendorf und Bad Saulgau, der auch Kloster Schussenried ansteuert. In Aulendorf führt Doris Schenk alias Gräfin Paula Schlossgäste plaudernd durch ihren Alltag im späten 19. Jahrhundert. Und im heute noch von Franziskanerinnen bewohnten Kloster Siessen in Bad Saulgau warten Klostergarten, -laden- und -café sowie eine Ausstellung zu den berühmten Hummel-Figuren auf interessierte Gäste.
Schon bevor die Erfinder zu Weltruhm aufstiegen, machten die Dichterinnen und Dichter den Süden Deutschlands überregional berühmt. Auf elf literarischen Velowegen kann man ihren Lebensspuren und Werken durch unterschiedliche Regionen folgen. Radweg Nummer 4 beginnt in Öhningen an der deutsch-schweizerischen Grenze und führt auf etwa 50 Kilometern am Bodensee entlang über die Halbinsel Höri, Radolfzell und Allensbach nach Konstanz. Auf der literarischen Zeitreise wird der Bogen vom Minnesang des Mittelalters bis zur Lyrik der jüngsten Vergangenheit gespannt. Literatinnen und Literaten, die wie Jacob Picard hier geboren wurden oder wie Anna Seghers für einige Wochen Station machten, wird dabei ebenso gedacht wie jenen, die sich wie Joseph Victor von Scheffel und Hermann Hesse über einen längeren Zeitraum in die traumhaft schöne Natur am Bodensee flüchteten.