Löwen, Elefanten und Giraffen, Wale, Delfine und Haie: Zigtausend TouristInnen ziehts in ferne Länder, um Tiere in freier Wildbahn zu beobachten. Das Resultat sind unvergessliche Erinnerungen, wundervolle Fotos – und zuweilen auch ein zünftiger Zeitzonenkater. Es muss jedoch nicht immer eine Fernreise sein, um ans Ziel seiner Träume zu gelangen. Auch in unseren Gefilden lassen sich Tiere in ihrer natürlichen Umgebung beobachten. Allein ein kurzer Spaziergang durch den nahen Wald oder entlang eines Flusslaufes zeitigt Erfolg auf der Fotopirsch. Ein äsendes Reh auf einer Lichtung, ein Eichhörnchen in den Ästen eines Baumes, eine Spinne beim «Networking» – auch das sind Wunder der Natur, die es zu entdecken gilt. Mit dem aufkeimenden Frühling eröffnen sich wieder wundersame Wildtierbeobachtungen auch hierzulande.

Vorbereitung ist das A und O

Die Tatsache, dass es möglich ist, quasi auf der anderen Seite der Türschwelle in eine besondere Welt abtauchen zu können, macht Wald-, See- und Flussufer-Spaziergänge zu etwas Besonderem. Besonders wohltuend für Körper und Geist, zum Beispiel: Der Blutdruck sinkt, das Immunsystem wird gestärkt und Stresssymptome werden reduziert. Das kann Reto Hässig (39) bestätigen. Als Wildhüter im Kanton Bern, sein Einsatzgebiet erstreckt sich über das bernische Seeland und den Berner Jura, ist er fast täglich in der Natur unterwegs. «Wenn ich die Morgenstimmung aufnehme, die Vögel singen höre und vielleicht ein Reh erspähen kann, ist die Welt für mich in Ordnung», bekräftigt er. Und betont: «Wer profitieren und den Ausflug geniessen will, sollte sich jedoch ein wenig vorbereiten.» Einige Kenntnisse über die in der Region lebenden Wildtiere, über die Gesangskünste der verschiedenen Vogelarten, über Tierfährten und vorherrschende Vegetation seien sinnvoll für einen erfüllenden Spaziergang. «Das Internet liefert die Informationen frei Haus», sagt Hässig. Für ihn sind auch die kleinen Tierchen grosse Attraktionen. «Es ist unendlich spannend, den Ameisen zuzuschauen, oder einem Vogelpaar beim Nestbau. Es muss nicht immer ein Reh oder ein Fuchs sein.» Ein Aufenthalt im Wald sei für ihn beruhigend, «ob ich nun beruflich oder privat unterwegs bin».

Gewaltig, kraftvoll, magisch und anregend: Der Iffigfall bei Lenk im Berner Oberland. © totoa.grafie / AdobeStock

Rücksicht nehmen und geniessen

Gemäss Wildhüter Hässig könnten sich Erwachsene an Kindern ein gutes Beispiel nehmen: «Kinder gehen entspannter an das Thema heran, lassen sich auch durch kleine Dinge schnell begeistern. Besonders empfänglich sind Kinder aus städtischen Gebieten», weiss er zu berichten. Sein Aufruf an die Eltern: «Geht raus, zeigt dem Nachwuchs, dass es mehr gibt als Playstation und Handy.» Doch er hebt auch den Mahnfinger. Nicht nur Tiere würden im Wald ihre Spuren hinterlassen, sondern leider auch der Mensch. Reto Hässig befürwortet den Besuch der attraktiven Natur- oder Wildschutzgebiete: «Hier lassen sich die Tiere gut beobachten, doch man muss unbedingt auf den markierten Pfaden bleiben, sonst stehen sie unter Dauerstress.» Diese Regel gelte überall. «Es gibt in der Schweiz Waldregionen, Hochweiden und Uferabschnitte, da ist – letztlich auch dank den zunehmenden touristischen Angeboten – praktisch Tag und Nacht sehr viel los.» Viele Tierarten seien zwar anpassungsfähig und hätten damit kein Problem, für andere sei aber die Belastung enorm. Sein Appell ist daher verständlich: «Rücksicht nehmen, sich ruhig verhalten, die Sinne schärfen – und geniessen.»