Mit der ViaBerna haben die Berner Wanderwege die erste Schweizer Route mit europäischem Qualitätslabel lanciert. Geschäftsführer Bernhard Schmidt umreisst die Eckpunkte des Pionierprojekts.

Bernhard Schmidt, die neue ViaBerna ist 300 Kilometer lang: Weshalb sollte sich jemand solche Distanzen antun?
Da ist ja das Schöne an der ViaBerna: Gefällt dir von den 20 Etappen nur eine, dann machst du nur die. Aber viele wollen sicher gerne die gesamte Route ablaufen. Denn 300 Kilometer sind irgendwie auch eine Herausforderung, sie sind eine Aufgabe, die man sich selber stellt. Wer alle Etappen mit der «Wanderplaner»-App von Outdooractive schafft, bekommt zudem ein digitales Zertifikat.

(c) Toni Kaiser

Die Schweiz verfügt allerdings bereits über diverse Weitwanderrouten. Braucht es da die ViaBerna überhaupt noch?
Viele Fernwanderwege wie der Jakobsweg oder die ViaAlpina setzen vor allem historische oder landschaftliche Schwerpunkte. Der Schweizer Tourismus muss aber generell auf Qualität setzen. Darum haben wir hier einen anderen Ansatz gewählt: Die ViaBerna verfügt über ein europäisches Zertifikat, für das es strenge Kriterien zu erfüllen gilt.

Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Label nach Bern zu holen?
Die Idee entstand nicht in der Schweiz, sondern in Rumänien. 2017 konnte ich in den Karpaten an der Generalversammlung der Europäischen Wandervereinigung teilnehmen – damals waren wir noch nicht Mitglied. Dabei wurde auch das Programm «Leading Quality Trails» vorgestellt, und ich dachte nur: Das wäre was für uns!

Warum gerade für Bern?
Bern hat – ohne zu prahlen – das schönste und vielfältigste Wanderwegnetz der Schweiz. Wir haben Jura, Mittelland, Oberland; wir haben einen Querschnitt der Schweiz. Das bietet in dieser Form kein anderer Kanton, das kann sogar ich als Walliser sagen. Ausserdem sind die Berner Wanderwege seit Jahrzehnten eine Art Trendsetter: Wir haben als erster Verein eine Planungsplattform, Freiwilligeneinsätze und Schulungen für Ehrenamtliche eingeführt. Jetzt ergab sich erneut eine Möglichkeit, um mit einem Projekt voranzugehen.

(c) Toni Kaiser

Und mit welchem Ziel?
Ziel war, alle Facetten des Kantons Bern zu zeigen – darum verläuft die Strecke von zuoberst im jurassischen Bellelay bis hinunter zum Sustenpass. Dabei wollten wir nicht nur die Landschaft, sondern auch die Kultur präsentieren. Die Etappen führen ja auch durch die Städte, durch Biel, Bern, Thun.

Ein heftiger Kontrast zum Wandern im offenen Gelände …
Der grösste Teil der ViaBerna soll schon in der freien Natur verlaufen. Aber als Wanderer willst du eben auch die Geschichten neben dem Weg mitbekommen. Und wir selber wollten auch nicht päpstlicher als der Papst sein: Das UNESCO-Welterbe der Berner Altstadt, Thuns malerische Ecken – sowas darf man auch zeigen. Wir haben hier einen gesamtheitlichen Ansatz verfolgt.

Hauptmerkmal der ViaBerna ist das Zertifikat «Leading Quality Trails». Was können Sie zu den Kriterien sagen, die ein Weg dafür erfüllen muss?
Bei der Europäischen Wandervereinigung gibt es dafür 23 Wahlkriterien, sieben Kernkriterien für Tagesetappen und elf Kernkriterien bezogen auf die Gesamtstrecke. Dazu kommen noch hohe Standards für Vier-Kilometer-Abschnitte.

Was sind das konkret für Kriterien?
Dazu gehört zum Beispiel das Wegformat, also der Bodenbelag: Möglichst viele Etappen sollten auf naturnahen Wegen verlaufen. Sehr wichtig ist auch das Wanderleitsystem, sprich eine gute Signalisation und Markierung des Wegs.

Hier hat es die Schweiz wohl einfach …
Das ist wirklich ein Stück weit ein Alleinstellungsmerkmal der Schweiz und von Bern im Speziellen: Solche strengen gesetzlichen Grundlagen für die Signalisation hat sonst kein anderes Land auf der Welt. Wir haben dafür sogar einen Wander-Artikel in der Bundesverfassung. Wenn ich das Kollegen in Deutschland erzähle, bekommen sie beinahe feuchte Augen.

(c) Toni Kaiser

Aber diese Grundmarkierung reichte sicher nicht aus für die ViaBerna.
Stimmt. Zusammen mit SchweizMobil, der Vermarktungsplattform für Langsamverkehr, haben wir dafür eine spezielle Signalisation geschaffen: Die ViaBerna ist die neue Route 38. Zusätzlich gibt es an jedem Etappenziel Informationstafeln mit den aktuellen und kommenden Highlights unterwegs. In Bellelay und auf dem Sustenpass sind ausserdem Start und Endpunkt der Route markiert.

Sprechen wir noch über die Routenführung: Die ViaBerna beginnt im Berner Jura und führt dann etwa zum Mont-Soleil oder auf den Chasseral. Wie wurden die verschiedenen Stationen ausgewählt?
Wir haben den Kanton in vier Kreise eingeteilt, und für jeden ist immer ein vollamtlicher Kreisleiter zuständig. Der kennt das Gebiet natürlich bestens. Dann gibt es in jedem Kreis noch ehrenamtliche Bezirksleiter: Auch sie wissen genau, was attraktiv ist und sich für so ein Projekt eignet. Sie alle hatten das Knowhow, und im gegenseitigen Austausch – auch mit den Tourismusorganisationen – wurden die Etappen gestaltet. Die ViaBerna entstand also nicht einfach auf dem Papier, wir waren für die Planung wirklich vor Ort.

Waren Sie nervös, als die Europäische Wandervereinigung den Weg prüfte?
Ein gewisses Kribbeln gab es da schon. Aber ich war positiv gestimmt, dass wir das Ziel erreichen. Die ViaBerna verläuft auf dem offiziellen Wanderwegnetz, und das wird von den Gemeinden und unseren Teams unterhalten. Das geschieht nicht aus «Goodwill», sondern ist ein gesetzlicher Auftrag. Darum starteten wir von Anfang an auf einem hohen Level. Nun haben wir das Zertifikat bekommen – es gilt drei Jahre, dann braucht es eine Rezertifizierung.
bernerwanderwege.ch, madeinbern.com