Zwischen sechs und zehn Stunden liegt man Nacht für Nacht darauf, beschäftigt sich aber selten damit: die Matratze. Erst, wenn die Bettauflage beult und der Rücken zwickt, stellt sich die Frage, was tun damit? Die Antwort lautet in fast jedem Fall: verschrotten. Rund eine Million Matratzen aus Schweizer Privat- und Hotelleriegebrauch landen den Zahlen der im Jahr 2021 gegründeten Matratzen-Allianz zufolge im Müll – europaweit sind es gar deren 35 Millionen. Gemäss Joel Hügli liegt die Recyclingquote der daraus entstehenden 30’000 Tonnen Abfall bei null Komma nichts. Die Zirkularität der Schlafunterlagen schlummert noch im Dornröschenschlaf – geschockt von diesem Verschleiss, ist Joel Hügli dabei, sie zu erwecken.

Schlafunterlagen «seziert»

Im Rahmen seiner Masterarbeit in Design an der Hochschule Luzern ist er sozusagen über das Thema Matratzen gestolpert, aber nicht etwa hingefallen, sondern aufgestanden – mit Schere und Japanmesser in den Händen. Der Berner wollte herausfinden, was drinsteckt, wo unsereins drauf liegt, begab sich in den heimischen Keller und tat seinen «ersten Schnitt» zum besseren ökologischen Fussabdruck von Matratzen. Während andere Schäfchen zählten, zählte er die Schichten und Materialmixe, aus denen die Matratzen bestanden, die ihm seine Follower aufgrund eines Aufrufs auf Social Media zu (Federkern-) Forschungszwecken überliessen.

Nachhaltiges Nickerchen: Die Matratzen sind zerlegbar und folglich die Rohstoffe rezyklierbar. © ecomade

Hier schlummert der ökologische Albtraum: Matratzen haben zwar einen eher langen Lebenszyklus, sind aber durch Verleimungen und dergleichen nicht auf die Wiederverwertung ausgerichtet. Seine Motivation als Designer und Forscher sei es, mit kreislauffähigen Produkten zum Paradigmenwechsel zugunsten der Umwelt beizutragen. «Mit frischem Wind will ich der teilweise festgefahrenen Industrie zeigen, dass es auch anders geht», so der Start-up-Gründer. Dass sein Weckruf durchaus nachhallt, zeigen Auszeichnungen wie der «Swiss Design Award».

Zzz … zirkulär

Monatelang sass er tags am Mac und ruhte nachts auf den Matratzen-Prototypen, die er entwickelte. «Ich habe sogar mutterseelenallein im Hochschulgebäude übernachtet», erzählt der 33-Jährige. Schliesslich hat unter anderem das Recyceln von über 250 Matratzenhüllen jene Erkenntnisse geliefert, auf denen seine völlig neue Konstruktion basiert. Mit seinem Label «ecomade» (Ecological Mattress Design), das aus seiner Masterarbeit heraus entstanden ist, lancierte er im Spätsommer 2024 die neue Generation von komfortablen, nachhaltigen Matratzen, deren Rohstoffe nach Gebrauch rezyklierbar sind. Dafür hat er zehn Designprinzipien definiert, die Punkte wie die Wahl sinnvoller Werkstoffe, die Produktion in der Schweiz oder Dienstleistungen wie die Beratung oder die inkludierte Recyclinggebühr als Mehrwert beinhalten.

Nimmermüde auf Nachhaltigkeit zu sensibilisieren: Der Berner Produktdesigner Joel Hügli. © ecomade

Zwar kann man den «kreideweissen Klotz» optisch kaum neu erfinden, doch die Modelle «Comfy» und «Lux» haben es in sich: Sie bestehen aus einem mehrlagigen Taschenfederkern, mehr als 2400 Sprungfedern sowie einer Hülle aus Biobaumwolle und Schafschurwolle mit Deckblatt. Letztere sind einzeln austauschbar, sodass sich die Matratze auffrischen und die Hülle waschen lässt. Fallen die Lider augenblicklich zu, stösst man schliesslich schnell mal versehentlich den Schlummertrunk von der Bettkante … Denn die ergonomischen Komfortmatratzen versprechen in jeder Liegeposition einen «sorglosen Schlaf». Das Sandmännchen hat wohl bald ausgedient.

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