Sündenfall und Schönheitsideal
Das Mittelalter war eine Zeit der Widersprüche und Ambivalenzen – so auch im Umgang mit Körpern. Diese wurden begehrt und idealisiert, aber auch bestraft und geschunden.
Das Mittelalter war eine Zeit der Widersprüche und Ambivalenzen – so auch im Umgang mit Körpern. Diese wurden begehrt und idealisiert, aber auch bestraft und geschunden.
Die neue Ausstellung «begehrt. umsorgt. gemartert.» im Landesmuseum Zürich dreht sich ganz um Körper im Mittelalter. Eingeteilt in sieben Sektionen, beschäftigt sie sich mit dem menschlichen Leib in verschiedenen Zuständen: nackte, begehrte, ideale, kranke, andere, leidende und tote Körper werden thematisiert und von verschiedenen Seiten beleuchtet. Besuchende werden so eingeführt in die Zeit des Mittelalters und erfahren mehr über Körpergrössen und -pflege, über sogenannte «Wundervölker» oder die christliche Moral, die das damalige Leben stark geprägt hat.
Die Kirche bestimmte weite Teile des alltäglichen Lebens im Mittelalter und so in vieler Hinsicht auch den Umgang mit dem Körper. So steht der leidende Körper Jesu am Kreuz im Zentrum der christlichen Religion, aber auch die jungfräuliche Maria und die als Reliquien verehrten Körperteile von Heiligen nehmen zentrale Rollen ein. Zahlreiche Beispiele der Sammlung im Landesmuseum Zürich zeigen jedoch, dass das Mittelalter bei weitem nicht so prüde oder rigide war, wie oftmals angenommen.
Zahlreiche erotisch aufgeladene Szenen finden sich beispielsweise in einer Reihe von Druckgrafiken, darunter von Israhel van Meckenem und Albrecht Dürer, aber auch in der mittelalterlichen Literatur. Dabei werden Begierde und Erotik zwar lustvoll dargestellt, gleichzeitig aber immer auch christlich moralisierend bewertet. Die Debatten und die Haltung gegenüber Begehren und Sexualität waren denn auch stark geprägt von der Auslegung des christlichen Sündenfalls.
Doch auch im weltlichen Alltag beschäftigte man sich viel mit dem Körper. Frauen und Männer der höheren Stände betrieben Sport, besassen reich verzierte Spiegel und Kämme und färbten sich die Haare. Während das vorherrschende Körperideal zentral für die höfische Bevölkerung war, waren die Körper der Unterschicht gezeichnet von körperlicher Arbeit, schlechter Ernährung und Krankheiten. Um diesen vorzubeugen, griff man zu Mitteln wie Aderlass oder Schröpfen, auch das öffentliche Baden gehörte zur Gesundheitsvorsorge. Letztlich waren aber auch tote Körper im Mittelalter omnipräsent, wie die zahlreichen Totenrituale zeigen, die oft schon zu Lebzeiten relevant waren.
Zahlreiche Gemälde, Bücher, Skulpturen und Alltagsobjekte, aber auch Medienstationen und Interviews werfen einen kulturhistorischen Blick auf den mittelalterlichen Körper und laden zur Reflektion des eigenen Körpers ein.