Wer das Grimsel Hospiz im tief verschneiten Winterwunderland besuchen möchte, dem steht ein Abenteuer bevor – per Luftseilbahn, durch Tunnels und gar unterirdische Stollen.

Wo heute das Grimsel Hospiz in einer kargen Felslandschaft auf dem Nollen thront, stand bereits 1142 das erste urkundliche erwähnte Gasthaus de Schweiz. Es war eine wichtige Station für Reisende, die zu Fuss oder mit der Postkutsche die Alpen überquerten. Wobei: genau genommen befand es sich dort, wo heute der Stausee liegt. 1929 versank es in dessen Wasser und als Ersatz erstellten die Kraftwerke 1932 auf dem höher gelegenen Felsen ein neues Gasthaus – damals das erste elektrisch beheizbare Hotel Europas. Nach einem kompletten Umbau zwischen 2008 und 2010 ist aus dem ehemals rustikalen Domizil ein äusserst geschmackvoll eingerichtetes Hotel geworden.

©David Birri

«OFF THE BEATEN TRACKS»
In den originalgetreu wiederhergestellten Säle mit ihrem historischen Mobiliar aus den 1930er Jahren sowie in den 28 Zimmern trifft die zeitgenössische Moderne auf die respektvoll restaurierte Vergangenheit. Seit 2010 ist das Hotel deshalb auch Mitglied von Swiss Historic Hotels. Das Grimsel Hospiz schrieb Schweizer Geschichte, ist ein Ort für Ästheten und Naturliebhaber – wenngleich «verkehrsgünstig gelegen» sicher nicht zu seinen Vorzügen gehört. Man könnte es auch als das «abgeschiedenste Vier-Sterne-Hotel der Schweiz» bezeichnen, wo «off the beaten tracks» eine völlig neue Dimension erlangt. Aber genau dies ist seine Qualität und verleiht ihm einen einzigartigen Charme. Denn wer das Hospiz im Winter erreichen will, dem steht ein wahres Abenteuer bevor.

HOCH ZU LUFT UND UNTER DER ERDE
Eine Anfahrt mit dem Auto kann man vergessen – die Passstrasse ist komplett zugeschneit und im Winter geschlossen. Also trifft man sich zum vereinbarten Zeitpunkt am Hauptsitz der Kraftwerke Oberhasli AG in Innertkirchen mit einem Gästebetreuer des Hotels – denn das Hospiz erreicht man nur in geführter Begleitung. Zuerst geht es mit dem Postauto bis zum Weiler Handeck, wo mehrere Stollen von fünf weiter oben gelegenen Stauseen zusammentreffen. Die Gäste begeben sich hier in eine Luftseilbahn, die über die märchenhaft verschneite Passstrasse hinweg bis zum Gerstenegg schwebt. Doch so komfortabel durch die Lüfte schwebend wäre ja zu einfach. Also marschiert man noch unterirdisch durch den Stollen zum Kraftwerk Grimsel 1. Der Stollen ist so gross, dass locker massive Lastwagen hindurch passen würden. Anschliessend geht die Fahrt per Kleinbusse bergauf durch den beleuchteten Tunnel weiter. Schliesslich muss man ein paar Stahltreppen hochkraxeln und in eine weitere Gondelbahn umsteigen.

©David Birri

EINE ANDERE WELT
Endlich oben angekommen, findet man sich in einer Welt weit weg von Lärm und Hektik wieder – ein wahres Winterwunderland, um abzuschalten und zu entschleunigen. Tief im Schnee versunken thront das historische Haus inmitten einer unberührten und paradiesischen Naturlandschaft. Man stampft durch den Schnee, eisiger Wind bläst einem ins Gesicht und man erwartet sehnlichst das hell beleuchtete Hospiz. Auf 2000 Metern Höhe trotzt es mit dicken Mauern, wohliger Wärme und viel Komfort dem rauen Klima. Man tritt ein – und fühlt sich sofort zu Hause. Hier trifft Vergangenheit auf Moderne – und dies in einem entspannten Ambiente.

KÜRZESTER WINTERWANDERWEG
Nun ist süsses Nichtstun und Geniessen angesagt – dies beginnt bereits mit dem feinen Küchenbuffet in der gemütlichen Arvenstube. Das knisternde Kaminfeuer lockt anschliessend zum Schmökern in der regionalen Literatur – der Geschichte der Grimselwelt und des Grimsel-Hospizes. Viel anderes als einfach zu Sein bleibt auch nicht übrig – aufgrund strikter, KWO Auflagen zum Wildschutz sind hier keine Winteraktivitäten möglich. Die Ruheoase für Mensch und Tier soll geschützt bleiben. Wer mag, kann den wohl kürzesten Winterwanderweg der Schweiz in Angriff nehmen – einmal rund ums Haus. Die KWO, die «Hausherrin» der Grimselhotels, bieten jedoch Kraftwerksführungen und eine Besichtigung der Kristallkluft an, wenn den Besuchern der Sinn nach Unternehmungen steht.

©David Birri

DEN STERNEN SO NAH
Doch im Grunde genommen will man gar nicht mehr, als diese märchenhafte Welt in der Abgeschiedenheit einfach mit allen Sinnen zu geniessen. Und einmal einfach nur abschalten. Beispielsweise im wohlig warmen Wasser des Badebottichs – mitten in der verschneiten Alpenkulisse, wo die Sterne zum Greifen nah scheinen. «Gepflegt abhängen» nennt man dies im Grimsel Hospiz. Gleich nebenan lässt es sich in der finnischen Holzfass-Sauna schwitzen. Für die nötige Abkühlung genügt für Hartgesottene ein Sprung in den eisig kalten Schnee.

300 WEINE, 15 GAULT MILLAU PUNKTE
Oder man lässt sich von Küchenchef Roman Crkon mit seinen kreativen Geniessermenüs und 15 Gault Millau Punkten nach allen Regeln der Kunst verwöhnen. Gastgeber Markus Meyer und seine Frau Maria legen grossen Wert auf regionale und saisonale Produkte. Die täglich wechselnden 6-Gang-Geniessermenüs lassen keine Wünsche offen. Oder man sucht sich einen der 300 erlesenen Tropfen im Felsenkeller aus – einer wahren Wein-Schatzkammer. Um anschliessend nochmals im sprudelnden Badebottich Sterne zu zählen – und die restliche Welt zu vergessen.
www.grimselwelt.ch, www.madeinbern.com