Zuweilen braucht’s wenig für den perfekten Kurztrip. Wer in der Umgebung von Kandersteg auf Entdeckungstour geht, kommt voll auf seine Kosten – prächtige Forellen aus idyllischen Bergseen inklusive.  Die Glut ist ideal. Zwei Forellen liegen bereit. Wahre Prachtexemplare sind es, jedes gut und gerne 300 Gramm schwer. Vor ein paar wenigen Stunden tummelten sich die Tiere noch im glasklaren Wasser eines Bergsees. Nun werden sie, ummantelt von einem Hauch aus Zitrone, Dill und Olivenöl über der Hitze gebraten. Die Sonne verabschiedet sich am Horizont mit einem leuchtend roten Schlussbouquet, die Fische schmecken köstlich. So muss ein Tag zur Neige gehen.

ZIEL KANDERSTEG

Rückblende. Wie so oft, wenn sich ein prächtiger Tag abzeichnet, beginnt am Frühstückstisch die Diskussion: Schönes Wetter bedeutete Ausflug; Ausflug bedeutet, ein Ziel zu haben. Das Kandertal, zum Beispiel? Nun ja, könnte eine Option sein. Die Region kennt man primär von der Fahrt zum Autoverlad. Einmal nicht durch den Lötschberg zu fahren, sondern die Welt vor dem Tunnel kennenzulernen, tönt nach einer Abwechslung. Oder wie ein berühmter Kandersteger zu sagen pflegt: Freude herrscht. Gepackt ist rasch, da zeichnet sich die Routine eines gewieften (Mehr-)Tagesausflüglers aus. Trekkingschuhe, Regen- und Sonnenschutz, strapazierfähige Kleider, Toilettenartikel, Ersatzwäsche, die Angelausrüstung (als Petri-Heil-Jünger weiss man diesbezüglich ja nie…) – und ab geht’s. Über Spiez und durch den Tunnel Richtung Reichenbach und Frutigen und schliesslich nach Kandersteg.

© Schweiz Tourismus

ZITTERN WIE ESPENLAUB

Ganz im Sinne der Pflege alpiner Kultur, hat das Dorf seinen typischen Berner Oberländer Charakter bewahrt. Ein Bummel vorbei an urigen Chalets, trutzigen Bauerhäuser und stolzen Hotels lohnt sich – dazu strahlen eindrückliche Alpengipfel um die Wette: Dündenhorn und Doldenhorn, Innerer Fisistock, Chlyne Lohner – wahre Wunderwerke der Natur, die über ein engmaschiges Netz an Bergwanderrouten erkundet werden können. Die Umgebung lädt zu Aktivitäten ein, die, so die örtliche Webseite, «viel Erholung oder etwas Nervenkitzel bringen.» Der Entscheid für letztere Variante ist rasch gefällt, Anstoss dafür geben die Paraglider, die am Himmel über Kandersteg zu sehen sind.

EUPHORISCHES GLÜCKSGEFÜHL

Einmal im Leben die Bergwelt aus der Vogelperspektive bewundern – ein lange gehegter Wunsch. Paragliding Kandersteg heisst der entsprechende Anbieter von Tandemflügen, der aus organisatorischen Gründen eine schriftliche Voranmeldung privilegiert. Spontis finden jedoch im örtlichen Tourist Center Rat. Über eine Telefonnummer kann die Anfrage gestartet und – falls Piloten frei sind – ein kurzfristiger Termin vereinbart werden. Dann steht dem «Erlebnisflug Allmenalp» nichts mehr im Weg. Mein Pilot hat zig Flüge auf dem Buckel und weiss umzugehen mit Jungfernfliegern, deren Knie schon auf der Fahrt mit der Luftseilbahn auf die Allmenalp zittern wie das berühmte Espenlaub. Indes, nach dem kurzen Startsprint ist die (Höhen-)Angst im wahrsten Sinne des Wortes verflogen, verdrängt durch ein geradezu euphorisches Glücksgefühl. Entlang gewaltiger Felswände geht es hinunter ins Dorf, im Blick stets das imposante Panorama mit der Blüemlisalp und dem türkis schimmernden Oeschinensee, einem Naturwunder mitten im Unesco- Welterbe «Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch».

IMMER DEM BACH NACH

Womit das Programm für den nächsten Tag bereits gesetzt ist. Auf Schusters Rappen geht es etwas mehr als vier Kilometer bergwärts, dem Lauf des Öschibach folgend. Nach knappen zwei Stunden ist das Ziel erreicht. Und um ehrlich zu sein: Aus nächster Nähe wirkt der Oeschinensee (1578 m.ü.M.) noch faszinierender als aus luftiger Höhe. Schroffe, senkrecht ins Wasser abfallende und zum Teil mit Moos bewachsene Felswände umgeben Teile des Ufers, andere Abschnitte ähneln Alpweiden, gespickt mit schattenspendenden Föhren, und zuweilen dominieren Kiesel und kleine Felsbrocken die Uferpartien.

KEIN ANGLERGLÜCK

Rund um den 111 Hektar grossen See kommen Wanderer auf verschiedensten Routen auf ihre Kosten. Auf Adrenalin-Junkies wartet eine Schussfahrt mit der Rodelbahn, Picknick-Plätze gibt’s zur Genüge und wer den Mumm hat, ins wirklich kühle Nass zu springen, kann dies problemlos tun. Auch Angeln ist möglich, vom Ufer aus oder «auf hoher See», Tagespatente sind in den Restaurants am See erhältlich, Ruderboote können gemietet werden. Der gewiefte Sportfischer wagt’s an einer flachen, steinigen und sehr beschaulichen Uferzone – während gut und gerne zwei Stunden. Indes, den Seesaiblingen, Regenbogen- und Seeforellen scheint’s im klaren Wasser besser zu gefallen als am Angelhaken.

UND IMMER LOCKT DIE FORELLE

Sei’s drum. Das imposante Naturschauspiel ist Entschädigung genug für die «Pechsträhne». Wer sich diese urgewaltige Landschaft so richtig zu Gemüte führt, kann nachvollziehen, weshalb die Fische eine schnöde Made verschmähen und dem Verweilen im kristallklaren Bergsee den Vorzug geben. Wandergesellen können es den Kiemenatmern nicht immer gleichtun – es sei denn, sie haben im urgemütlichen Berghotel Oeschinensee eine Übernachtungsgelegenheit gebucht, um anderntags dem zweiten Akt des unvergesslichen Spektakels «Bergsee-Idylle» beiwohnen zu können. Andern bleibt nur die Rückkehr möglich, wieder zu Fuss – oder aber mit der Gondelbahn Kandersteg-Oeschinensee, was durchaus auch ein vergnügliches Erlebnis darstellt und nochmals die Möglichkeit bietet, Kandersteg von oben herab zu bestaunen. Es ist der Blick auf ein Wanderparadies erster Güte. Insbesondere die Möglichkeit, die als angenehm und leicht beschriebene Route über den Gemmipass nach Leukerbad auf Schusters Rappen (und mit der Luftseilbahn Sunnbüel) zurückzulegen, ist verführerisch ,… wenn da nicht ein anderer Bergsee mit stattlichem Forellenbestand locken würde.

DER KREIS SCHLIESST SICH

Er gilt als (weiteres) Kleinod im Kandertal, liegt nur ein paar wenige Kilometer talabwärts, eingebettet in einem Wald: Der Blausee. Was mit einem Bergsturz vor 15’000 Jahren begann, ist mittlerweile einer der populärsten Seen der Schweiz – trotz seiner geringen Grösse (6400 m2). Das Bergquellwasser ist kristallklar und glänzt je nach Blickwinkel zwischen knalligem Türkis und tiefem Blau. Ebenso schön wie der See selbst ist der Naturpark, der ihn umgibt. Auf zwanzig Hektaren wandeln Besucher durch friedliche Wälder, sie lauschen dem Rauschen der nahen Kander, Kinder vergnügen sich auf dem Spielplatz, und wen der kleine Hunger packt, kann an den vielen Picknickplätzen mit Feuerstellen eine Pause einlegen. Das kleine Grandhotel mit 17 Zimmern, zwei Restaurants (Gault-Millau bis Holzofenpizzeria), einer grossen Terrasse und einem etwas anderen Spa mit Blick auf den Blausee bietet ein einzigartiges Ambiente und sorgt für einen unvergesslichen Aufenthalt. Dass der Blick des Hobbyanglers immer wieder zum herrlichen Bergseelein wandert, erstaunt kaum, tummeln sich darin doch zig Regenbogen- und Lachsforellen. Ganz offensichtlich bietet ihnen der Blausee eine ideale Lebensgrundlage – und beste Voraussetzungen für eine florierende Forellenzucht. So bevölkern die Tiere nicht nur den kleinen See, sondern auch etliche grosszügige Teiche und Becken mit Schattenplätzen, Fliesswasser- und Hinter-Bereichen. Aber eben: Fischen ist im Blausee nicht gestattet, Angelrute und Maden bleiben unangetastet. Das freundliche Blausee-Team verweist den Petri-Jünger auf das umfangreiche Shop-Angebot. Und so kommt es, wie es kommen muss: Auf der Heimfahrt liegen zwei ausgenommene und vakuumierte Forellen in der Kühlbox. Wahre Prachtexemplare sind es, jedes gut und gerne 300 Gramm schwer. Aber das durfte der geneigte Leser ja bereits am Anfang dieser Geschichte zur Kenntnis nehmen.

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